Die zweite Meinung: Behinderungsfolgen aus Mengenänderungen sind konkret nachzuweisen!

  1. Kosten aus Bauzeitverlängerung infolge von Mengenerhöhung sind vergütungsfähig. Das gilt unabhängig davon, ob sie auf einer änderung des Bauentwurfs beruhen oder sich als „zufällige Mengenerhöhung“ darstellen.
  2. Die Geltendmachung des Anspruchs erfordert eine bauablaufbezogene Darstellung zu den zeitlichen Auswirkungen der Änderung im Bauablauf, in der die tatsächlichen Folgen und nicht die kalkulatorischen Ansätze zu erläutern sind.

OLG München, Urteil vom 27.04.2016 – 28 U 4738/13 Bau; BGH, Beschluss vom 20.04.2017 – VII ZR 141/16 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

VOB/B § 2 Abs. 3, 5, 6, § 6 Abs. 2, 4, 6

Rechtlicher Hintergrund

In einem VOB-Einheitspreisvertrag werden als Ausführungsfristen der 06.03.2000 für den Beginn und der 30.09.2000 für die Fertigstellung festgelegt. Der Auftragnehmer (AN) begehrt Mehrkosten aus Bauzeitverlängerung. Mehr als drei Monate Bauzeitverlängerung bei Fertigstellung zum 09.01.2001 seien verursacht durch die (unstreitige) Erhöhung der Bewehrungsmenge insgesamt und dies bei gleichbleibender Betonkubatur (erhöhte Bewehrungsdichte). Die Menge an Stabstahl habe sich gegenüber dem Vordersatz um das 2,74-fache erhöht und das Verhältnis von Mattenstahl zu Stabstahl habe sich zu Gunsten des Stabstahls verschoben, was ebenso unstreitig ist. Das Bewehrungskonzept der Ausschreibung sei geändert, so der AN. Er begehrt keinen Ausgleich für Mehraufwand aus erhöhter Bewehrungsdichte, sondern allein die Mehrkosten aus Bauzeitverlängerung. Dazu legt er Baustellengemeinkosten und Allgemeine Geschäftskosten, beide aus Bauzeitverlängerung, auf den ursprünglich vereinbarten Einheitspreis für den Betonstahl um.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Zwar kommen wegen der unstreitigen Stahlmehrmengen bzw. der Verschiebung des Verhältnisses von Mattenstahl zu Stabstahl zusätzliche Vergütungsansprüche aus § 2 Abs. 5 VOB/B bzw. aus § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B grundsätzlich in Betracht. Da – wie über § 2 Abs. 5 VOB/B – auch über § 2 Abs. 3 VOB/B bauzeitbedingte Mehrkosten vergütungsfähig seien, komme es nicht darauf an, ob § 2 Abs. 3 oder Abs. 5 VOB/B als Anspruchsgrundlage heranzuziehen sei. Der AN habe es aber versäumt, in einer konkreten bauablaufbezogenen Darstellung zu den zeitlichen Auswirkungen der Anderung des Bewehrungskonzepts im Bauablauf vorzutragen. Dem AN könne der Mehrbetrag nur zustehen, wenn die Mehrmengen an Bewehrungsstahl nachweislich tatsächlich zu der behaupteten Bauzeitverlängerung geführt haben.

Anmerkung

Auf die tatsächliche Wirkung im Bauablauf kommt es an, nicht auf eine – wie vorliegend mit der Soll-Methode vorgetragen – an der Wirklichkeit vorbeigehende. Wenn Ereignisse aus § 2 Abs. 3, 5, 6 VOB/B änderungen im Bauablauf bewirken, gelten sie – unbesehen der Verantwortungsfrage – als Behinderungen. Am von der Behinderung „angegriffenen“ Vorgang können sie kausal für dessen Verschiebung, Unterbrechung oder Verlängerung sein und in der weiteren Folge zu einer Bauzeitverlängerung führen, wenn solche Veränderung am Vorgang auf dem kritischen Weg des Bauablaufs wirkt. Wie Pflichtverletzungen, die zum Recht auf Schadensersatz aus § 6 Abs. 6 VOB/B führen können, und Obliegenheitsverletzungen mit dem möglichen Anspruch auf Entschädigung nach § 642 BGB, sind auch Behinderungen aus Ereignissen unter § 2 Abs. 3, 5, 6 VOB/B mit ihrer Wirkung konkret und im tatsächlichen Bauablauf nachzuweisen. Sog. „kalkulatorische Fortschreibungen“ des (vorgeblich) zur Auftragskalkulation passenden Bauablaufplans vermögen nicht die anspruchsausfüllende Kausalität nachzuweisen. Sie zeitigen regelmäßig – wie vorliegend mit 13,67 Monaten Bauzeitverlängerung, während die Bauzeit tatsächlich nur 3,35 Monate länger war – unzulässig abstrakte Ergebnisse.