Freie Kündigung: Sind „abgebummelte“ Überstunden ersparte Kosten?

Auf Arbeitszeitkonten seiner Arbeitskräfte angesammelte Überstunden gehören dem Auftragnehmer. Sie dienen ihm als Puffer zum Ausgleich von Schwankungen in der Auslastung seines Betriebs. Lässt der Auftragnehmer kündigungsbedingt angesammelte Überstunden seiner Arbeitnehmer durch Freizeit ausgleichen, liegen daher keine Kostenersparnisse vor.

BGB § 649 Satz 2; VOB/B § 8 Nr. 1 Abs. 2

Ausgangssituation

Der Auftraggeber (AG) kann den ganzen Werkvertrag oder Teile daraus bis zur Vollendung der Leistung jederzeit ohne Angabe von Gründen kündigen. Die frei gekündigte Leistung kann der Auftragnehmer (AN) mit den vereinbarten Preisen unter Abzug dessen abrechnen, was er an Kosten erspart oder durch anderweitigen Einsatz seiner durch die Kündigung frei gewordenen Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt (BGB § 649; VOB/B § 8 Nr. 1). Für den anderweitigen Erwerb kommt es nur auf „echte“ Füllaufträge an und nicht etwa auf Verlegenheitsbeschäftigungen oder Beschäftigung in Aufträgen, die der AN neben dem gekündigten sowieso ausgeführt hätte; näher Drittler, Nachträge und Nachtragsprüfung, Stand 30.03.2009, Rz. 467 ff m.w.N. Soweit die Vergütung nicht um Erlöse aus „echten“ Füllaufträgen zu kürzen ist, stellt sich die Frage nach dem Umfang des Ersparten. Von oben in der typischen Zusammensetzung von Baupreisen beginnend: Auf den Erhalt des Gewinnanteils im frei gekündigten Leistungsvolumen sowie des Anteils zur Deckung Allgemeiner Geschäftskosten hat der AN nach heute wohl einhelliger Ansicht in Literatur und Rechtsprechung Anspruch; näher Drittler, a.a.O., Rz. 447 f m.w.N. Der Anspruch erstreckt sich auch auf das Wagnis im gemeinsamen Kalkulationszuschlag „Wagnis + Gewinn“ (näher Drittler, IBR 2006, 1). Das Gleiche gilt für große Teile der Baustellengemeinkosten (i. E. Drittler, Nachträge und Nachtragsprüfung, Rz. 454 ff) sowie für große Teile der Lohnkosten (siehe grds. BGH, IBR 2000, 126) und in baubetrieblichen Einzelheiten (Drittler, a.a.O., Rz. 463 ff).

These

Sind vom Grundsatz abweichend Lohnkosten erspart, wenn der AN eine durch die Kündigung frei gewordene Arbeitskraft (AK) im Vorfeld der Kündigung angesammelte Überschussstunden zu Lasten ihres Arbeitszeit- und Entgeltkontos (Ausgleichskonto, kurz: Konto) „abbummeln“ lässt? Ein gewichtiges Argument spricht gegen die Ersparnis. Durch eine kündigungsbedingte Nicht-Beschäftigung werden Überschussstunden vom Konto abgebaut. Zwar hat der AN der betroffenen AK den Monatslohn fortzuzahlen. Diese Kosten hat der AN aber in der Regel durch Abrechnung von Bauleistung, bei deren Erstellung der Überstundensaldo aufgebaut worden ist, bereits erlöst. Insofern ließe sich schlussfolgern, angesammelte Überstunden dienten der Ersparnis und damit letztlich dem AG. Dies genügt indessen als Argument für die Anrechnung von Lohnkosten während des Überstundenabbaus nicht. Denn: Mit der Einführung von Ausgleichskonten schafft sich der AN ein Instrument zum Ausgleich von witterungsbedingten und nachfragebedingten Auslastungsschwankungen. Solche Auslastungsrisiken sind vom AN zu tragen, es sind typische Unternehmerrisiken. Der AN sucht sie mit den Ausgleichskonten ein Stück weit abzupuffern. Dieser Puffer gehört dem AN. Würde er dem AN genommen durch Behandlung der Überstundensalden als Erspartes, würde er durch die Abrechnung schlechter gestellt werden, als er ohne die freie Kündigung stünde. Durch die Abrechnung soll der AN aber gerade nicht schlechter (und nicht besser) stehen, als wenn er den Auftrag ausgeführt hätte. Das ist die in ständiger Rechtsprechung vom BGH hoch gehaltene Grundforderung (näher Drittler, a.a.O., Rz. 442 ff m.w.N.).

Fazit

Die auf Ausgleichskonten gewerblicher Arbeitnehmer angesammelten Überstunden sind dem Auftragnehmer zu erhalten. In ihnen verbergen sich keine Kostenvorteile, die als ersparte Kosten im Sinne des § 649 Satz 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B anzurechnen sind. Der Grundsatz, Personalkosten sind keine ersparten Kosten, solange und in dem Maße, wie sie nicht abgebaut sind (Drittler, IBR 2006, 1095 – nur online), findet damit auch dann keine Ausnahme, wenn der AN seine Arbeitnehmer Überstunden abbummeln lässt.