Thesen
Ersparte Kosten: Nicht nur der kalkulierte Gewinn und die Allgemeinen Geschäftskosten bleiben dem Auftragnehmer in der vereinbarten Vergütung erhalten. Der Auftragnehmer darf regelmäßig auch Teile der Baustellengemeinkosten, der Lohnkosten und der Gerätekosten als nicht ersparte Kosten beanspruchen. Zur Unterscheidung zwischen ersparten und nicht ersparten Kosten ist maßgeblich darauf abzustellen, ob eine Kostengröße, wann und in welchem Umfang sie abgebaut wurde. Als weitere Unterscheidungsmerkmale sind die Kostencharaktere „Einmaligkeit“, „Zeit- und Leistungsvariabilität“ heranzuziehen. Eine Einteilung der Kosten allein nach ausführungsabhängigen (variablen) und von der Ausführung unabhängigen (fixen) Kosten berücksichtigt den tatsächlichen Kostenabbau nicht immer zutreffend. Und eine einfache Klassifizierung nach kurzfristig und nicht kurzfristig abgebauten Kosten greift zu kurz.
Füllaufträge: Aufträge, die der Auftragnehmer auch ohne die Kündigung angenommen und ausgeführt hätte (SOWIESO-Aufträge), sind keine „echten“ Füllaufträge. Zwischen der Kündigung und der anderen Beschäftigung muss für die Annahme eines „echten“ Füllauftrages ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Um dem Auftraggeber die Darlegungs- und Beweislast für höheren anderweitigen Erwerb zu ermöglichen, muss der Auftragnehmer Konkretes zur Auftragslage vortragen.
Wagnis-Zuschlag: Der Wagnis-Anteil im gemeinsamen Zuschlag Wagnis + Gewinn ist infolge der Kündigung nicht erspart. In der Frage, ob das Wagnis im gemeinsamen Zuschlag Wagnis + Gewinn zum Ersparten zählt, bezieht sich die Rechtsprechung spätestens seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30.10.1997 (VII ZR 222/96, BauR 1998, 185) vermehrt auf eine fehlerhafte baubetriebliche Inhaltsgebung. Kapellmann/Schiffers selbst haben ihren Irrtum erkannt und mittlerweile korrigiert. Es ist an der Zeit, dass dem auch die Rechtsprechung folgt.
Abrechnungsregel
Der Auftraggeber kann einen Werkvertrag bis zur Vollendung des Werkes jederzeit ohne Fristsetzung und ohne Angabe von Gründen kündigen (freie Kündigung nach BGB § 649 BGB; VOB/B § 8 Nr. 1). Grundsätzlich sind die Parteien an einen einmal geschlossenen Vertrag gebunden. Das freie Kündigungsrecht des Auftraggebers stellt eine Ausnahme dar … (weiterlesen bei ibr-online)
Zusammenfassend und vervollständigend
Zur Vergütung zählen aus dem gekündigten Leistungsvolumen neben dem allgemeinen unternehmerischen Wagnis und Gewinn auch die vollen Allgemeinen Geschäftskosten sowie – unter Umständen mit Abstrichen – die Baustellengemeinkosten. Das gilt so weit und so lange, wie diese nicht in einem Füllauftrag durch anderweitige Verwendung der Arbeitskraft erwirtschaftet werden können (Schritt 3 der Vergütungsberechnung).
Bei den Lohnkosten werden im Wesentlichen Lohnnebenkosten sowie Zeit-, Erschwernis und Leistungszuschläge sofort erspart und die Gesamttariflohn- und Lohnzusatzkosten erst ab dem Zeitpunkt, in dem sie abgebaut sind. Gerätekosten können mit den Teilen Energiekosten für den Betrieb, dem Gros der Reparaturkosten und mit dem gebrauchsabhängigen Anteil an den Ansätzen für Abschreibung und Verzinsung erspart werden. Kosten für Standardmaterial können in der Regel voll eingespart werden. Und die Kosten für Sondermaterial, das extra für die Erstellung der gekündigten Leistung angeschafft und nicht an einem anderen Bauvorhaben eingesetzt werden kann, sind dem Auftragnehmer gegen Eigentumsübertragung zu vergüten. Nachunternehmerkosten sind in der Regel sofort abbau- und damit ersparbar. Ausnahme: Ein Nachunternehmer macht seinerseits qualifiziert Vergütungsansprüche aus grundloser Kündigung geltend. Auch für die Lohn- und Gerätekosten kann im Schritt 3 der Vergütungsberechnung infolge anderweitigen Erwerbs durch einen „echten“ Füllauftrag Weiteres zum Abzug gelangen.