Ein Plädoyer für mehr Sorgfalt bei der Leistungsbeschreibung
Ausgangssituation
Angeboten von Teilnehmern am Wettbewerb, die mischkalkulierte Preise anbieten, droht der Ausschluss von der Wertung nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A. Solche Angebote sind für eine transparente und alle Bieter gleich behandelnde Wertung ungeeignet (BGH, IBR 2004, 448 – „Rudower Höhe“). Mischkalkulierte Preise im Sinne der Entscheidung „Rudower Höhe“ sind solche, bei denen der Bieter den Preis zunächst mit den erwarteten Kosten und unter Umständen unter Berücksichtigung eines Marktabschlags kalkuliert. Anschließend werden Teile von Preisen einzelner Positionen auf andere Positionen verlagert. Dazu analysiert der Bieter die Leistungsbeschreibung auf eventuelle Fehler. Unter anderem sucht er nach Positionen, deren Vordersätze in der Abrechnung voraussichtlich nicht voll zum Zuge kommen werden, und solche, die voraussichtlich mit höheren Mengen als ausgeschrieben abgerechnet werden, und verändert entsprechend zu seinem Vorteil (so hofft er) das kalkulierte Preisgefüge (Mengenspekulation). Die kalkulierte Angebotssumme darf sich dabei nicht ändern, der Bieter will ja Bestbieter sein. Der Bieter erhofft sich dadurch einen Abrechnungsvorteil bei künftigen Mengen- und Leistungsänderungen. Auch kann er bei seinen spekulativen Überlegungen z. B. auf künftige Nachträge setzen. Auf die vielfältigen Techniken ist hier nicht einzugehen.
Thesen
Dass ein Fehler in der Leistungsbeschreibung Fehler sein kann, aber nicht sicher Fehler sein wird und der Bieter sich bei der Fehlersuche auch irren kann, verdeutlicht: Wer spekuliert, trachtet nach Chancen und geht zugleich Risiken ein. Bei Gleichverteilung der Chancen und Risiken würde sich Spekulation langfristig nicht lohnen. Die Wirklichkeit sieht teilweise anders aus: Vordersätze werden nachlässig ermittelt, Leistungen lückenhaft und widersprüchlich beschrieben. Allzu häufig sind für die spekulative Mischkalkulation fehlerhafte Leistungsbeschreibungen kausal. Spekulative Mischkalkulation lebt von Fehlern in der Leistungsbeschreibung. Ist so gesehen das potenzielle „Opfer“ einer Mischkalkulation wenn nicht „Täter“, so doch „Mittäter“? Für die Versuche von Bietern, durch Mischkalkulation zunächst im Wettbewerb einen Vorteil um den begehrten Auftrag zu erlangen (günstigst bieten) und später einen Vorteil in der Abrechnung der Leistung (günstigeres als kalkuliertes Ergebnis), wird eine Reihe von Gründen angeführt werden können. Zuallererst ist sicherlich der nach wie vor ruinöse Wettbewerb um Bauaufträge zu nennen. Weil Spekulation sich aber erst mit fehlerhaften Leistungsbeschreibungen (richtig) lohnen kann, wendet sich der Blick gleich anschließend auf die Praxis der Leistungsbeschreibung. Wenn Architektur- und Ingenieurbüros Leistungsbeschreibungen anfertigen, müssen sie diese Aufgabe unter Wettbewerbsdruck häufig zu knappen bis unauskömmlichen Honoraren annehmen. Es soll schon vorgekommen sein, dass unauskömmliches Honorar aus der Not heraus durch Reduzierung der Qualität, eben durch Fehler in der Leistungsbeschreibung, zu auskömmlichem Honorar wurde.
Fazit
Wenngleich die Praxis der spekulativen Form der Mischkalkulation zum Teil auch die Folge eines überhöhten Wettbewerbsdrucks ist: Eine Rechtfertigung kann daraus nicht erwachsen. Vergabestellen haben ein berechtigtes Interesse an transparenten Angeboten, die eine Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz (GWB § 97 Abs. 2) ermöglichen. Denn schließlich soll sich das Angebot des Bieters mit dem günstigsten Preis auch bei der Abrechnung noch als günstigstes erweisen. Gerade das sucht die spekulative Mischkalkulation zu konterkarieren. Aber: Hat die Medaille nicht zwei Seiten? Wird der Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Organisation des Wettbewerbs im Falle von zur Mengenspekulation einladenden Leistungsbeschreibungen auch gewahrt, wenn die einen Teilnehmer dieser „Einladung“ folgen und die anderen nicht? Vorsichtshalber folgen ihr alle – oder?