Vergabefehler: Zum Umfang des Schadens aus Erfüllungsinteresse – Teil 1

  1. Wurde einem Bieter der Zuschlag zu Unrecht nicht erteilt, ist ihm das positive Interesse als Schadensersatz zuzusprechen. Dabei ist er so zu stellen, als wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre (Erfüllungsinteresse).
  2. Das Erfüllungsinteresse umfasst unter anderem Beiträge zur Deckung nicht abgebauter (nicht ersparter) Kosten.

Problem/Sachverhalt

Die Klägerin begehrte Schadensersatz, nachdem ihr Angebot auf von der Beklagten ausgeschriebene Erdarbeiten nicht beauftragt worden war. Im rechtskräftigen Grundurteil hat das Landgericht der Klägerin Schadensersatz in Höhe des positiven Interesses an der Erteilung des Auftrages zuerkannt, weil sie zu Unrecht von der Ausschreibung ausgeschlossen worden ist und ihr bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten der Auftrag hätte erteilt werden müssen. Vor dem OLG setzen sich die Parteien über die Höhe des Schadens auseinander.

Entscheidung

Die Klägerin sei so zu stellen, wie sie gestanden hätte, wenn es das schädigende Ereignis – hier Nichterteilung des Auftrages – nicht gegeben hätte (BGB § 249). Darin liege das Erfüllungsinteresse, welches vollständig durch die tatsächlich eingetretene Vermögensminderung und die ausgebliebene Vermögensmehrung umschrieben werde. Die ausgebliebene Vermögensmehrung werde nicht allein durch den entgangenen Gewinn im Sinne des § 252 BGB erfasst, sondern enthalte auch entgangene betriebswirtschaftliche Beiträge zur Deckung von Fixkosten (mit Hinweis auf Drittler, BauR 1994, 451, 455, 458).

Praxishinweis

Die vom OLG so bezeichneten „Fixkosten“ sind genauer jene Kosten, die der Geschädigte nicht erspart (tatsächlich nicht ersparte Kosten). Bei der Frage nach dem Umfang der ersparten Kosten ist wie beim Vergütungsanspruch nach freier Kündigung maßgeblich darauf abzustellen, ob eine Kostengröße abgebaut, wann sie abgebaut und in welchem Umfang sie abgebaut wurde (IBR 2006, 1095 – nur online). „Fix“ in diesem Sinne, also nicht erspart werden neben Allgemeinen Geschäftskosten regelmäßig auch nicht Teile der Baustellengemeinkosten, der Gerätekosten und der Lohnkosten. Das Gericht macht zu Recht nicht beim Ersatz des kalkulierten Gewinns und der Allgemeinen Geschäftskosten Halt (OLG Schleswig, Urteil vom 12.10.2004 – 6 U 81/01 – Teil 2 – ibr-online-Werkstatt). Für die praktische Schadensberechnung steht der Gesamterlös im Ausgangspunkt, den der Geschädigte bei Durchführung des Auftrages hätte beanspruchen können. Im Wege der Vorteilsausgleichung muss er von diesem Betrag die ersparten Kosten abziehen und sich schließlich auf die nicht ersparten Kosten Erlöse aus anderweitigem Erwerb anrechnen, die er infolge des ausgebliebenen Auftrags erzielt hat oder hätte erzielen können und dies böswillig unterlassen hat. Die Schadensberechnung läuft weitgehend parallel zur Vergütungsberechnung nach freier Kündigung (BGB § 649, VOB/B § 8 Nr. 1; zur Vergütungsberechnung Drittler, „Freie Kündigung – Zum Umfang der ersparten Kosten“, ibr-online-Aufsätze). Wesentlicher Unterschied: Der Nicht-Erfüllungsschaden zeigt vor dem Abzug der Erlöse aus anderweitigem Erwerb die nicht ersparten Kosten als tatsächliche Kosten, während die Vergütungsberechnung bei freier Kündigung an dieser Stelle eine kalkulatorische Größe ausweist.